Brüssel/Wien – Dass die EU-Wahl in Österreich am 9. Juni immer näher rückt, ist nicht nur an der Häufung von Wahlplakaten im öffentlichen Raum zu merken – auch die Wortmeldungen der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten werden zunehmend schärfer. So wirft etwa die grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch ÖVP-Abgeordnete angehören, eine "Lügenkampagne" in puncto EU-Renaturierungsgesetz vor. Die Kampagne der EVP dazu sei "wirklich - Pardon - unter aller Sau".

Im APA-Interview forderte sie klare Pfade zur Emissionsreduktion, eine Mobilitätswende, Naturschutz und die Abkehr von fossiler Energie als Voraussetzungen für eine grüne Unterstützung der künftigen Kommissionsspitze. Schilling bezog sich in ihrer Kritik auf das Ringen um das "Nature Restauration Law".

Lena Schilling will klare Pfade zur Emissionsreduktion.
APA/GEORG HOCHMUTH

Vor allem die EVP wetterte im Vorjahr gegen das Vorhaben. Tausende Wissenschafter hatten sich hingegen dafür ausgesprochen und in einem offenen Brief versucht, die häufigsten Einwände zu widerlegen. Im Juli des Vorjahres hat das EU-Parlament schließlich in abgeschwächter Form für das Gesetz gestimmt, derzeit gibt es aber keine Mehrheit im Rat. Auch Österreich unterstützt das Gesetz nicht.

Ob die Grünen Ursula von der Leyen diesmal als neuerliche EU-Kommissionschefin unterstützen würden, die sich 2019 für den Green Deal stark gemacht hatte, wollte Schilling nicht eindeutig beantworten, denn das hänge von den Kandidaten und deren Programmen ab. "Mir geht es tatsächlich darum, eine Kommissionspräsidentin oder einen Kommissionspräsidenten zu wählen, der für eine progressive Wende steht, wo es darum geht, dass wir Klimaschutz, die soziale Frage und Gleichberechtigung ganz oben auf die Agenda schreiben", sagte sie.

Grüne verteidigen Verbrenner-Aus

Dass die ÖVP - der Koalitionspartner der Grünen in Österreich – und ihre Schwesterparteien CDU und CSU in Deutschland nun massiv dass Aus für neue Verbrenner-Fahrzeuge ab 2035 angreifen, stößt bei der Grünen schon aus wirtschaftlicher Sicht auf Unverständnis. Die Unternehmen brauchten Planbarkeit, meinte sie, und für diese sei "dieser Zickzackkurs" eine Katastrophe. Dass es mit der Volkspartei als Partner für die Grünen in Europa und Österreich damit vorbei sei, wollte Schilling dennoch nicht so sehen.

Es gebe auch "Hoffnungsschimmer" in Form progressiverer Kräfte in der EVP, meinte sie. "Menschen wie Othmar Karas haben in ganz vielen Fällen für Klimaschutz und Naturschutz gewählt", bedauerte sie dessen Abschied. In Österreich habe die ÖVP zwar beispielsweise das Klimaschutzgesetz blockiert. Sie hoffe aber auf ein Drehen der Konservativen auf EU-Ebene, wenn diese etwa erkennen, dass sie mit ihren Blockaden beim Klimaschutz und Naturschutz auch die Landwirtschaft in den kommenden Jahren in die Krise treibe. Auf diese Ebene komme es an, schließlich würden in der Union 80 Prozent der heimischen Gesetze gemacht.

"Müssen uns verteidigen können"

Im "Ö1-Mittagsjournal" verteidigte Schilling die Haltung der EU, sich weiterhin entschlossen mit der Ukraine solidarisch zu zeigen. "Zuschauen ist keine Option", sagt Schilling. Auf die Frage, ob die Verwendung von EU-Geldern für Waffenlieferungen legitim sei, zitierte Schilling das österreichische Neutralitätsgesetz: Österreich sei es nur untersagt, einem Militärbündnis beizutreten und fremde Truppen auf eigenem Staatsgebiet zu dulden. Zudem werde laut Schilling mit österreichischen Geldern vor allem humanitäre Hilfe in den Kriegsgebieten unterstützt. Im Falle eines Angriffes auf Österreich "müssen wir uns natürlich verteidigen können", betont Schilling.

Beim Thema Schutz der Außengrenzen kritisiert Schilling menschenunwürdige Zustände in den dortigen Flüchtlingslagern. Es sei ein großes Problem, wenn Frauen in diesen Lagern Angst vor sexueller Gewalt haben müssten und Menschen im Mittelmeer ertrinken. "Das können wir nicht als Lösung verkaufen", sagt Schilling. Sie wünscht sich von der EU eine klare Haltung und will einzelne Mitgliedstaaten, die sich bisher gegen die Aufnahme von Geflüchteten stemmten, dazu auffordern, ebenfalls Flüchtlinge nach einem Verteilungsschlüssel aufzunehmen. (APA, ste, 4.5.2024)